Samstag, 2. Mai 2015

Von Eiffeltürmen, Propheten, Mandeln und der römischen Provinz im Norden Jordaniens

Jerash war eines meiner zwei persönlichen Highlights der Rundreise. Das andere war die Kreuzfahrerburg von Kerak. Ich bin ein Fan von alten Steinen, neben denen des Hochmittelalters jene, die uns von den Römer hinterlassen wurden. Hätte ich die Reise selbst geplant und durchgeführt, wäre das römische Gerasa wohl der krönende Abschluss gewesen.

Bevor es in den Norden ging, legten wir einen Stopp bei einer Wechselstube ein.
Das Bild entstand in Jerusalem
Eine »maktab sa-rafa« bietet günstigere Kurse und unkompliziertere Transaktionen als Banken oder Hotels. Aber auch hier ist Umsicht geboten. Am Flughafen, Bahnhöfen und Grenzübergängen gleichen sich die Kurse denen der Geldinstitute an.

Während meine Mitreisenden sich mit Jordanischen Dinars eindeckten, entdeckte ich erstmals, dass die Jordanier ein Faible für den Eiffelturm haben.

Die Kopie des berühmten Bauwerks von Paris sollte mir in den nächsten Tagen immer wieder begegnen, entweder an Schaufenstern oder auf Dächern.
Ich fragte mich, warum Jordanien einen solchen Bezug zu Paris bzw. Frankreich hat.
Was Mode- und Schuhläden betraf, konnte ich es mir marketingtechnisch erklären. Frau will sich auch in einem Wüstenstaat modisch kleiden und Paris erzeugt eine Assoziation zu Mode. Aber warum der Turm auf den Dächern? Irgendwann bin ich auf die Idee gekommen, dass der Eiffelturm als Antenne benutzt wird. Das wurde mir in Jerusalem bestätigt. Wo es bis zur Einführung von Satellitenschüsseln ebenfalls Eiffeltürme auf Dächern gegeben hat.

Der Norden Jordaniens war in biblischen Zeiten unter dem Namen »Gilead« bekannt und ist heute die am dichtesten besiedelte Region des Landes.
Während wir die Straße entlang fuhren, konnte ich meinen Blick auf Händler werfen, die Früchte und Gemüse und insbesondere grüne Dinger anboten. Mahmoud gab unserem Drängen nach und ließ den Busfahrer bei einem Straßenhändler halten.
Adelheid (Name geändert) blieb mit der Begründung, sie kennt Bohnen von daheim, im Bus sitzen. Aber es sind keine Bohnen, sondern grüne Mandeln. Sie schmecken interessant: noch nicht fertig, die milchige Süße fehlt. Und sie machen satt.


Am Fluss Jabbok machten wir eine weitere, diesmal geplante, Pause.
Hier hat Jakob eine Nacht mit einem Mann gestritten, der sich als Engel herausstellte und ihm den Namen »Israel«, der Gottesstreiter, da er mit Gott gerungen und gesiegt hat, gab.
Zusammen mit seinem Großvater Abraham und seinem Vater Isaak zählt Jakob zu den Erzvätern Israels. Auf seine zwölf Söhne gehen die zwölf Stämme der Israeliten zurück. - Auch für den Islam ist Jakob bedeutend. Der Koran erwähnt ihn als einen von 25 Propheten. -
Ich stand also an einem Ort, auf dessen Geschichte unsere Kultur zurückgreift. Darüber kann man sicher diskutieren, so wie es eine Mitreisende gerne getan hätte.
Da ich ihr nicht als Gegenpartei zur Verfügung stand, war sie zu einem Monolog gezwungen. Ich zog mich geistig zurück und gab mich der besonderen Ruhe des Platzes hin. Die Spannung, unter der ich mich monatelang befunden hatte, fiel mit einem Mal ab. Ich kann sagen, dass ich am Jabbok in Jordanien angekommen war.
Ihrer Meinung nach ist die Aufklärung für unsere Kultur bedeutsamer als das die Ereignisse biblischer Zeiten. Meine Meinung dazu ist, dass alles um uns und in uns in der Vergangenheit wurzelt, gleich wie lang sie vergangen ist und Ereignisse das Ende von Prozessen und der Anfang solcher sind.


Aber nun auf nach Jerash.



Jerash gehörte dem römischen Verbund von Handelsstädten im heutigen Jordanien, Syrien, Israel und palästinensischen Autonomiegebieten, den sog. Dekapolis, an. Nach einem schweren Erdbeben im 8. Jahrhundert wurde es aufgegeben. Im 12. Jahrhundert beherbergten die Ruinen für eine kurze Zeit eine Kreuzfahrergarnison.
Jerash ist für den gemeinen Jordanienreisenden nicht so reizvoll wie Petra und aufgrund der zurückgegangenen Touristenzahlen besichtigen noch weniger Besucher die einstige Metropole. Was super war. So konnten wir ohne die Menschenmassen, die sich normalerweise an solchen Stätten finden, den Rundgang durchführen.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, die ich alleine auf einer Mauer vor dem Hadriansbogen verbracht hatte, bis die Steine lebendig wurden.

Endlich war ich da! Der Weg von Philadelphia (Amman) war ermüdend gewesen. Bevor ich durch den Bogen trat, der zu Ehren Kaiser Hadrians errichtet worden war, gönnte ich mir einen überteuerten Saft aus reifen Granatäpfeln und wusch mir den Staub meiner Reise an einer Tränke ab. Der Anblick der Mauern und Säulen, die unter dem blauen Himmel honigfarben schimmerten, entschädigten mich für alle Anstrengungen. Die Vorfreude, die ich in den Tagen vor meiner Abreise spürte, wandelte sich in Glückseligkeit.
Kaiser Hadrian hat große Pläne. Er möchte Gerasa ein Viertel mit Wohnungen und Geschäften zwischen »seinem« Bogen und dem südlichen Stadttor schenken, wodurch sich die Stadtfläche um ein Viertel vergrößern würde. Allerdings wurde mit den Bautätigkeiten noch nicht begonnen.
Es mag daran liegen, dass sich hier das Hippodrom befindet. Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe begeistern Menschen in Rom, Antiochia, Jerusalem und überhaupt auf der ganzen Welt. Doch wer möchte dort wohnen, wo sich zweimal am Tag Menschen auf den Straßen drängen, brüllen, betrunken herumpöbeln und ihren Unrat hinterlassen? Wer möchte einen Laden an einem Platz eröffnen, an dem außer Tavernen und Küchen niemand ein Geschäft macht? Ich denke, auch in Zukunft werden nur die Toten in diesem Areal in ihrer Ruhe gestört werden und der Bogen wird ein Bogen bleiben und nicht ein Tor werden.
Gerne hätte ich den Spielen zugesehen, die im Station stattfanden. Doch war nur für einen kurzen Blick Zeit. Ich hatte Zeus, Artemis und den Nymphen Opfer darzubringen, damit sie mein Land vor Unwetter schützen und die Ernte in diesem Jahr reichhaltiger ausfällt wie im vergangenen. Außerdem wollte ich das Theater besuchen, dessen Ruf so groß ist und die Kirchen der Byzantiner, von denen ich so viel gehört habe.
2 x täglich werden historische Aufführungen gegen einen zusätzlichen Obolus geboten - Exerzierübungen, Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe

Am Südtor

Blick entlang der Stadtmauer zum Südtor

Ich war schon oft auf dem Forum Romanum in Rom. Dort ducken sich Kontore, zwischen Tempeln und Basiliken. Es herrscht ein geschäftliches Treiben und es ist das Zentrum des politischen Lebens der Stadt.
Das Forum von Gerasa enttäuschte mich einerseits. Hier war es so still und es ging geordnet zu. Andererseits war mir feierlich zumute. Die Weitläufigkeit und die Kolonnaden erheben sich über den schnöden Mammon und die Politik.

 




Der Tempel des Zeus ist ein Abbild des Göttervaters. Er überragt die Stadt, ist würdig, mächtig, unerschütterlich, über jeden Zweifel erhaben und empfänglich für filigrane Schönheit.





Die Kulisse des Südtheaters
Ich liebe Rom, doch muss ich den Hellenen zugestehen, dass sie einen größeren Sinn für Genuss haben. Römische Spiele sind nur dann gut, wenn viel Blut fließt und wenigstens einer zu Tode kommt. Griechische Schauspieler bedienen sich der Sprache, Mimik und Gestik.
Mir fällt nicht mehr ein, mit welchen Weisen uns die Dudelsackspieler unterhalten haben.
Ich las viel darüber, welch umwerfender Ausblick sich von der obersten Sitzreihe zum Zeustempel und zum Forum bietet. Ich glaube den Schriften. Beim Anblick der ungesicherten Stufen rutschte mir das Herz in die Hose und ich suchte mir einen Platz auf den unteren Plätzen.




Ein gewisser Theodor und seine Ehefrau Georgia haben die Kirche gestiftet, die den Zwillingen Kosmas und Damian geweiht wurde und haben sich im Chorraum verewigen lassen. Das Mosaik ist besonders für einen Menschen wie mich, der schon an einem 20-teiligen Puzzel verzweifelt, mehr als nur beeindruckend.

Das gleißende Schimmern des Marmors, mit dem der Artemistempel verkleidet war, stach in meinen Augen, als ich den Hügel bezwungen hatte. Artemis, Tochter des Zeus, Göttin der Jagd und der Fruchtbarkeit grüßte mich.
Elf Säulen stehen heute noch. Trotz der Erdbeben, militärischen Aggressionen und der Verwendung der Steine als Baumaterial und der »in-Vergessenheit-geraten« der vergangenen 1.900 Jahre. Ihre Standhaftigkeit erhalten sie durch die Bauweise. Sie schwingen. Bewiesen hat es ein Angestellter des Parks. Er steckte einen Löffel in eine Fuge und drückte gegen das Säulenelement. Der Löffel hat sich bewegt.












Das Nordtheater
Der Stadtrat tagt. Wir müssen aber nicht leise sein, um die Patrizier, Ädilen und Quästoren nicht zu stören. Die Herren Räte werden uns nicht bemerken, während sie lauthals Debatten führen, die in jeder Stadt beschäftigen, die 20.000 Einwohner zählt: Müll, Sicherheit und Ordnung, die Höhe der Abgaben und Zölle, die Arbeitszeiten der Prostituierten und die Sauberkeit in den Bordellen, wie hoch die Gelder sein dürfen, mit denen Stimmen für die nächste Ratswahl gekauft werden, usw. usf. Das vulgäre Geplärre und die Handgreiflichkeiten auf den Gängen erinnern mich an eine Taverne am Abend nach einem Pferdemarkt und ich gehe weiter zum Nordtor, das den Eingang zum Cardo Maximum bildet.


Ein Gully-Deckel
Die Hauptstraße Gerasas ist eine Pracht. Das Pflaster ist sauber, wofür eine Kolonne von Sklaven sorgt, die auf halsbrecherischer Weise zwischen Fuhrwerken Müll und anderen Unrat von Mensch und Tier in Körbe sammelt. Mit Stuck und Farben reich verzierte Gebälke verbinden die Säulen zur Linken und zur Rechten. Entsprechend der Gebäude hinter ihnen haben sie verschieden Höhen. Marmorverkleidete Stufen führen zu Tempel, Kontore und Läden.
Lachen, Getratsche, das Rumpeln der Holzräder mit Eisenbeschlägen über den Quatern, das Gebrüll der Polizisten, die für meine Augen vergeblich versuchen, Ordnung in den Verkehr zu bringen, mischt sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm. Tierische Ausscheidungen und verschiedenen Aromen von Gewürzen und Parfums werden zum Odem der großen, weiten Welt. Die Auslagen der Läden strapazieren mein Budget alleine nur dadurch, dass ich sie mir ansehe.
Doch ist und bleibt Gerasa Provinz. Die kunstvollen Hochsteckfrisuren und die reich verzierten Kleider, die die Frauen zur Schau tragen, sind in Rom schon lange aus der Mode.




Ich dachte, nach dem Tempel der Artemis würde es nichts mehr geben, dass ich schön nennen würde. Das Nymphäum belehrt mich einem Bessern.
Eine Halbkuppel in Form einer Muschel überdacht zwei Stockwerke. Das untere ist mit Marmor verkleidet, der Fries des oberen mit Stuckwerk verziert. In Nischen stehen die Nymphen, herausgeschlagen aus Marmor. Sie sind bezaubernd. Es fällt mir kein anderes Wort ein. Denn wie will ich etwas beschreiben, das nicht von dieser Welt ist? Aus Hörnern, die die Dienerinnen der Götter in ihren zarten Händen halten, fließt Wasser friedlich der Fassade hinab. Es sammelt sich in einem großen Becken und strömt aus steinernen Löwenköpfen in eine Rinne, die die Hauptstraße als schmaler Bach begleitet.


Jerash hat das gehalten, was es mir im Vorfeld versprochen hat: Ruinen grandioser Bauten und Plätze, die mir Einblicke in das Leben vergangener Zeiten boten.
Ich habe mich gefragt, zu welchen Bauten die Steine gehörten, die in der Hügellandschaft herumliegen, welche Dinge unter der Erde verborgen sind und was sie vom Alltag der Menschen erzählen könnten.

Ob meine Fragen einmal beantwortet werden? Ein solch riesiges Gelände würde mich in jedem Land und zu jeder Zeit entmutigen. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich allerdings überhaupt nicht, dass in naher Zukunft groß angelegte Ausgrabungen durchgeführt werden. Jordanien hat nicht die Mittel, diese alleine zu fördern. Und, für das Land stellen sich dringendere Aufgaben. Die Lage des Nahen Ostens schreckt Investoren ab.
Andererseits: Sind Geheimnisse nicht reizvoller?






2 Kommentare:

  1. Ach Julia Du schreibst so schööööööön. Es ist immer als würde ich ein tolles Buch lesen! Tolle Fotos!
    Geheimnisse sind immer reizvoll ;)
    Liebe Grüße, Tina

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