Mittwoch, 6. Mai 2015

Auf dem »Kings Way« durch das Wadi Mujib, zu Wundern, »Nepper«, »Schlepper«, »Bauernfänger«, Propheten und Kreuzfahrern


Zwei Schnellstraßen, die sich vor 4.000 Jahren herausgebildet haben und sich bei Amman seit alters her schneiden, durchziehen Jordanien. Heute werden sie die »Wüstenstraße« und die »Königsstraße« genannt.
Die Wüstenstraße ist teilweise autobahnähnlich ausgebaut und umgeht seit jeher die tief eingeschnittenen Wadis des jordanischen Kernlandes. Allerdings fanden und finden sich an ihrem Lauf keine größeren Dörfer oder Städte, Hotels oder Ähnliches und wenig Wasserstellen.

Der »Kings Way« bot bereits in biblischen Zeiten Bequemlichkeit und Sicherheit. An ihm wurden reich ausgestattete Handelsstädte und Pilgerunterkünfte von Juden, Christen und Muslime gegründet.
Im 4. Buch Mose wird beschrieben, wie die Israeliten auf ihm in das Gelobte Land wanderten. Er war immer Zankapfel der Mächtigen. Nabatäer und Griechen nutzten ihn. Die Römer bauten ihn aus. Unter den Kreuzfahrern entstanden beeindruckende Burgen. ... Ich saß gemütlich im Bus und an mir zog Geschichte vorbei.

Ich würde jetzt gerne die Gefühlsstürme hochgeistig beschreiben, die in mir tobten, als ich in die Schlucht des Wadi Mujib gesehen hatte, auf dessen Höhenlagen die Königsstraße führt. ... Geht nicht! ... Schreibe ich aber »schön« oder »umwerfend spektakulär«, würde ich nicht annährend das wiedergeben, was sich mir geboten hat. Das Tal, in der Bibel »Arnon« genannt, durchschneidet das Hochland und stellt die einstige Grenze zwischen den Stämmen der Amoriter und Moabiter dar.




Ein geschäftstüchtiger Beduine, der Decken und Fossilien verkaufte
Ausflugslokal mit super Blick



Ich bin nur in bedingtem Maße Wanderer und schon gar kein Kletterer oder Mountain-Biker, kann mir aber gut vorstellen, dass der »Grand Canyon Jordaniens« ein Paradies für Aktivurlauber ist. Amman ist in 4 ½ Stunden von Frankfurt mit dem Flieger zu erreichen. Also auf, ihr Wanderer, Kletterer und Radfahrer!

Beiderseits des Wadi gibt sich eine vollkommen andere Landschaft. Sanfte Hügel, fette Wiesen, Feigenbäume und Olivenplantagen.



Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich an einem Kinderpuzzle mit 20 Teilen verzweifle. Daher sind für mich Mosaike eines der Wunder dieser Welt.
Das Bedeutendste - nicht nur für Jordanien - findet sich in der griechisch-orthodoxen Kirche St. Georg in Madaba.

Geschätzte 2,3 Millionen Steinchen wurden vor über 1.500 Jahren zu einem Bodenmosaik zusammengesetzt, das die älteste existierende Landkarte Palästinas darstellt.
Im Besucherzentrum, wo überteuerte Briefmarken zu erwerben sind (Normalpreis 1,60 €, hier 2,00 €),  ist es möglich, die Karte als Bild genauer anzusehen. Der Eintritt von 1 JD ist in jedem Fall gerechtfertigt. In allen Einzelheiten kann das Mosaik studiert werden, was aufgrund der Absperrungen in der Kirche nicht  möglich ist.

In Madaba hatte ich mich so richtig geärgert, dass ich mit einer Gruppen-Rund-Reise unterwegs und dadurch an einen Zeitplan gebunden war. Die Stadt wirkt überaus sympathisch: geschäftig wie Amman, aber lange nicht so chaotisch, und nicht so touristisch wie Wadi Musa / Petra. Es bietet sich an, in Madaba zu übernachten, um einen ganzen Tag zur Verfügung zu haben.
Bekannt ist die Stadt nicht nur für die zahlreichen Mosaike, sondern auch für die Gastfreundlichkeit seiner Einwohner. Vielleicht gründet sich diese auf der langen Tradition religiöser Toleranz. In Madaba ist eine der größten christlichen Gemeinden Jordaniens ansässig.
Auch uns wurde gastfreundlich entgegengetreten. Ein alter Mann wollte uns in seine Wohnung zum Tee einladen. Laut Mahmoud war er ein »heiliger Mann«, Ältester / Richter der Gemeinde. So etwas verwirrt den gemeinen Mitteleuropäer. Auch mich. Ich denke aber, dass ich die Einladung angenommen hätte, wäre ich alleine unterwegs gewesen. Vorausgesetzt, ich hätte sie überhaupt verstanden. Es wäre sicher spannend gewesen, einen typisch jordanischen Haushalt zu betreten. Die Gruppe lehnte ab. Allerdings nicht so barsch, wie es dem mitteleuropäischen Naturell entspricht, sondern zögernd. Ich hatte das Gefühl, keiner wollte den Mann - und Mahmoud - verletzen.


Hier seht ihr einen Teil meiner Reisegruppe von hinten.

Nach dem Besuch des Mosaiks fand die Besichtigung einer Manufaktur statt.
Also, ich behaupte ja, dass es nur ein Vorwand war, dass wir dort erklärt bekommen sollten wie Mosaike einst und heute von Hand entstehen, und dass der eigentliche Sinn des Stopps alleine darin bestand, dass wir kaufen.


Die »Bauernfänger« gingen nach dem üblichen Schema vor, - Tee wird angeboten, es wird das Gefühl von Wertschätzung vermittelt, und wenn dann noch mit der EC-Karte bezahlt werden kann ...


Was soll’s. Ich habe jetzt ein Straußenei mit dem Lebensbaum, ein Tuch und diverse Kleinigkeiten.

Wie Moses bin auch ich auf den Berg Nebo gegangen. O.k. nicht vom Fuße, sondern vom Busparkplatz aus. Gestorben bin ich aber daraufhin nicht. Ich habe eine Zigarette geraucht - obwohl verboten - und ein Falafel-Sandwich gegessen. Und dann habe ich nach Gilead, Juda, die Wüste Negev und zum Toten Meer gesehen.



Es ist nicht mehr viel von dem fruchtbaren Land übrig, das Moses und seine Israeliten hat jubeln lassen. Dennoch bedarf es nicht viel Phantasie, sich das Glück vorzustellen, das sie nach ihrer langen und entbehrungsreichen Wanderung empfunden haben müssen.
Auch demjenigen, der von sich behauptet nicht religiös oder historisch interessiert zu sein, rate ich dringend, den Berg Nebo zu besuchen. Es ist eine unbeschreibliche Aussicht, die sich bietet.

Weiter geht es auf dem »Kings Way«.
Neben intensiver Landschaft und biblischen Stätten liegt an ihm auch so einiges Skurriles. Wie etwa der kleine Krimskrams-Laden vis-a-vis der Kreuzritterburg »Montreal« -  in Reiseführern »Shobeq« bezeichnet -.
Der Laden war der Hammer, ebenso sein Besitzer - ein Hutzelmännchen, mit einem Lächeln, das dazu zwingt fröhlich zu sein, gleich wie mies gelaunt man ist. Dagegen immun war eigentlich nur Ronny gewesen.

Verkauft hat das Männchen mit einer rot-weiß gemusterten Kufiya, dem traditionellen Kopftuch der Männer in der arabischen Welt, besser bekannt unter dem Begriff »Palästinensertuch« - so ziemlich alles, was in der Erde des Felshügels um die Burg zu finden ist: Steine, Fossilien, Münzen, Skulpturen, Messer und noch vieles mehr. Ich habe ihm abgenommen, dass er alles alleine oder mit Helfern geborgen hat und dass alles Originale sind. Aus diesem Grund habe ich auch nichts gekauft. Denn einen Nachweis, den bei der Ausreise oder Einreise ein Zöllner hätte verlangen können, gab es zum Kauf nicht.


Die Küche mit dem noch nicht fertigen Tee



Montreal war die erste Burg, die die Kreuzritter unter Balduin I. 1115 in Oultrejourdain, ihrem Herrschaftsgebiet, gebaut hatten. Nach und nach entwickelte sich eine Kette von Burgen von Aqba im Süden bis in die heutige Türkei.
Die Kreuzritterburg, die in Jordanien als Synonym für den Aufstieg und den Fall des Lateinischen Königreichs steht, ist Kerak. Mein Herz ging auf, als sich die Ruine über der gleichnamigen Stadt wie eine Krone erhob.

Gut zu erkennen, in den vergangenen 900 Jahren hat sich die Bauweise nicht gravierend verändert.

Kerak wird bereits im Alten Testament als Hauptstadt der Moabiter erwähnt und liegt auf halben Weg zwischen Shobeq und Jerusalem. Die strategisch günstige und wichtige Lage an einer Karawanenstraße machte den Berg für die Kreuzritter interessant. Von hier aus konnten sie das Südende des Toten Meeres kontrollieren und Teile Palästinas abriegeln. Im Jahr 1142 wurde mit dem Bau begonnen. Die fränkischen Baumeister nutzten vorhandene Fundamente der einige Jahrhunderte zuvor aufgegebenen Burgfeste. - Damit mir kein Lokalpatriotismus unterstellt wird: Die Kreuzritter wurden von den Muslimen »Franken« genannt, egal ob sie aus Franken, Niedersachsen oder England oder sonst woher kamen. - Rasch entwickelte sich Kerak zur Hauptstadt von Oultrejourdain. Der Burg schwingt der Name Renaud de Châtillon mit. Der Franzose, der Louis II. von Frankreich auf dem Zweiten Kreuzzug folgte, war von 1175 – 1187 Herr von Oultrejourdain. Von ihm angeführte oder in Auftrag gegebene Überfälle auf Muslime, deren  Karawanen, Häfen und Städte waren das Ende eines ausgehandelten Friedensvertrages mit Saladin und der Beginn eines Krieges, der zum Dritten Kreuzzug führte. In schlechter Erinnerung blieb Renaud den Muslimen wegen seiner Grausamkeit, die sich nicht nur gegen sie, sondern auch gegen Christen richtete, die nicht nach seiner Pfeife tanzten.




An Burgen interessiert mich weniger die Architektur, das militärische Know-How oder strategische Lage. Ich finde die Geschichten, die in den Steinen und Fugen verborgen sind, faszinierend.
Wenn ich mir vorstelle, dass ein Bauernsohn aus Großgarnstadt seinem Landesherrn zu Fuß durch die halbe damals bekannte Welt gefolgt ist und zur Sicherung und Festigung der Stätten seines Glaubens unter seinen Händen derartig beeindruckende Bauwerke, wie die Kreuzritterburgen entstanden sind, dann bekommt das Sprichwort »Glaube versetzt Berge« eine Bedeutung.
Oder ...
In dem Moment, als ich hier stand und in das Tal hinabsah, begann ein Muezzin seinen Gebetsruf. Nach und nach setzten Gesänge aus allen Richtungen ein. Wie mochten sich die Verteidiger der Burg gefühlt haben, als Saladins Truppen sie belagerten und die Gebetsrufe an den Mauern zerschellten?











2 Kommentare:

  1. Liebste Julia, wieder soooo toll geschrieben. Danke das Du Dir die Mühe machst das alles so schön aufzuschreiben. Oh so eine arabische Barbie hätt ich gekauft.
    Wünsche der werten Straußeneibesitzerin einen wunderschönen Tag.
    Liebe Grüße Tina

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    1. Ich hab sogar zwei Barbies gekauft. Eine für meine kleine Nichte - ihre Reaktion: "Naja, ich kann sie ja als Dekoration verwenden." - und eine der Tochter meiner Freundin - ihre Reaktion: Jubel -. Meine Nichte wird 11, die Emmi is 13. ...

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