Mittwoch, 6. Mai 2015

Auf dem »Kings Way« durch das Wadi Mujib, zu Wundern, »Nepper«, »Schlepper«, »Bauernfänger«, Propheten und Kreuzfahrern


Zwei Schnellstraßen, die sich vor 4.000 Jahren herausgebildet haben und sich bei Amman seit alters her schneiden, durchziehen Jordanien. Heute werden sie die »Wüstenstraße« und die »Königsstraße« genannt.
Die Wüstenstraße ist teilweise autobahnähnlich ausgebaut und umgeht seit jeher die tief eingeschnittenen Wadis des jordanischen Kernlandes. Allerdings fanden und finden sich an ihrem Lauf keine größeren Dörfer oder Städte, Hotels oder Ähnliches und wenig Wasserstellen.

Der »Kings Way« bot bereits in biblischen Zeiten Bequemlichkeit und Sicherheit. An ihm wurden reich ausgestattete Handelsstädte und Pilgerunterkünfte von Juden, Christen und Muslime gegründet.
Im 4. Buch Mose wird beschrieben, wie die Israeliten auf ihm in das Gelobte Land wanderten. Er war immer Zankapfel der Mächtigen. Nabatäer und Griechen nutzten ihn. Die Römer bauten ihn aus. Unter den Kreuzfahrern entstanden beeindruckende Burgen. ... Ich saß gemütlich im Bus und an mir zog Geschichte vorbei.

Ich würde jetzt gerne die Gefühlsstürme hochgeistig beschreiben, die in mir tobten, als ich in die Schlucht des Wadi Mujib gesehen hatte, auf dessen Höhenlagen die Königsstraße führt. ... Geht nicht! ... Schreibe ich aber »schön« oder »umwerfend spektakulär«, würde ich nicht annährend das wiedergeben, was sich mir geboten hat. Das Tal, in der Bibel »Arnon« genannt, durchschneidet das Hochland und stellt die einstige Grenze zwischen den Stämmen der Amoriter und Moabiter dar.




Ein geschäftstüchtiger Beduine, der Decken und Fossilien verkaufte
Ausflugslokal mit super Blick



Ich bin nur in bedingtem Maße Wanderer und schon gar kein Kletterer oder Mountain-Biker, kann mir aber gut vorstellen, dass der »Grand Canyon Jordaniens« ein Paradies für Aktivurlauber ist. Amman ist in 4 ½ Stunden von Frankfurt mit dem Flieger zu erreichen. Also auf, ihr Wanderer, Kletterer und Radfahrer!

Beiderseits des Wadi gibt sich eine vollkommen andere Landschaft. Sanfte Hügel, fette Wiesen, Feigenbäume und Olivenplantagen.



Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich an einem Kinderpuzzle mit 20 Teilen verzweifle. Daher sind für mich Mosaike eines der Wunder dieser Welt.
Das Bedeutendste - nicht nur für Jordanien - findet sich in der griechisch-orthodoxen Kirche St. Georg in Madaba.

Geschätzte 2,3 Millionen Steinchen wurden vor über 1.500 Jahren zu einem Bodenmosaik zusammengesetzt, das die älteste existierende Landkarte Palästinas darstellt.
Im Besucherzentrum, wo überteuerte Briefmarken zu erwerben sind (Normalpreis 1,60 €, hier 2,00 €),  ist es möglich, die Karte als Bild genauer anzusehen. Der Eintritt von 1 JD ist in jedem Fall gerechtfertigt. In allen Einzelheiten kann das Mosaik studiert werden, was aufgrund der Absperrungen in der Kirche nicht  möglich ist.

In Madaba hatte ich mich so richtig geärgert, dass ich mit einer Gruppen-Rund-Reise unterwegs und dadurch an einen Zeitplan gebunden war. Die Stadt wirkt überaus sympathisch: geschäftig wie Amman, aber lange nicht so chaotisch, und nicht so touristisch wie Wadi Musa / Petra. Es bietet sich an, in Madaba zu übernachten, um einen ganzen Tag zur Verfügung zu haben.
Bekannt ist die Stadt nicht nur für die zahlreichen Mosaike, sondern auch für die Gastfreundlichkeit seiner Einwohner. Vielleicht gründet sich diese auf der langen Tradition religiöser Toleranz. In Madaba ist eine der größten christlichen Gemeinden Jordaniens ansässig.
Auch uns wurde gastfreundlich entgegengetreten. Ein alter Mann wollte uns in seine Wohnung zum Tee einladen. Laut Mahmoud war er ein »heiliger Mann«, Ältester / Richter der Gemeinde. So etwas verwirrt den gemeinen Mitteleuropäer. Auch mich. Ich denke aber, dass ich die Einladung angenommen hätte, wäre ich alleine unterwegs gewesen. Vorausgesetzt, ich hätte sie überhaupt verstanden. Es wäre sicher spannend gewesen, einen typisch jordanischen Haushalt zu betreten. Die Gruppe lehnte ab. Allerdings nicht so barsch, wie es dem mitteleuropäischen Naturell entspricht, sondern zögernd. Ich hatte das Gefühl, keiner wollte den Mann - und Mahmoud - verletzen.


Hier seht ihr einen Teil meiner Reisegruppe von hinten.

Nach dem Besuch des Mosaiks fand die Besichtigung einer Manufaktur statt.
Also, ich behaupte ja, dass es nur ein Vorwand war, dass wir dort erklärt bekommen sollten wie Mosaike einst und heute von Hand entstehen, und dass der eigentliche Sinn des Stopps alleine darin bestand, dass wir kaufen.


Die »Bauernfänger« gingen nach dem üblichen Schema vor, - Tee wird angeboten, es wird das Gefühl von Wertschätzung vermittelt, und wenn dann noch mit der EC-Karte bezahlt werden kann ...


Was soll’s. Ich habe jetzt ein Straußenei mit dem Lebensbaum, ein Tuch und diverse Kleinigkeiten.

Wie Moses bin auch ich auf den Berg Nebo gegangen. O.k. nicht vom Fuße, sondern vom Busparkplatz aus. Gestorben bin ich aber daraufhin nicht. Ich habe eine Zigarette geraucht - obwohl verboten - und ein Falafel-Sandwich gegessen. Und dann habe ich nach Gilead, Juda, die Wüste Negev und zum Toten Meer gesehen.



Es ist nicht mehr viel von dem fruchtbaren Land übrig, das Moses und seine Israeliten hat jubeln lassen. Dennoch bedarf es nicht viel Phantasie, sich das Glück vorzustellen, das sie nach ihrer langen und entbehrungsreichen Wanderung empfunden haben müssen.
Auch demjenigen, der von sich behauptet nicht religiös oder historisch interessiert zu sein, rate ich dringend, den Berg Nebo zu besuchen. Es ist eine unbeschreibliche Aussicht, die sich bietet.

Weiter geht es auf dem »Kings Way«.
Neben intensiver Landschaft und biblischen Stätten liegt an ihm auch so einiges Skurriles. Wie etwa der kleine Krimskrams-Laden vis-a-vis der Kreuzritterburg »Montreal« -  in Reiseführern »Shobeq« bezeichnet -.
Der Laden war der Hammer, ebenso sein Besitzer - ein Hutzelmännchen, mit einem Lächeln, das dazu zwingt fröhlich zu sein, gleich wie mies gelaunt man ist. Dagegen immun war eigentlich nur Ronny gewesen.

Verkauft hat das Männchen mit einer rot-weiß gemusterten Kufiya, dem traditionellen Kopftuch der Männer in der arabischen Welt, besser bekannt unter dem Begriff »Palästinensertuch« - so ziemlich alles, was in der Erde des Felshügels um die Burg zu finden ist: Steine, Fossilien, Münzen, Skulpturen, Messer und noch vieles mehr. Ich habe ihm abgenommen, dass er alles alleine oder mit Helfern geborgen hat und dass alles Originale sind. Aus diesem Grund habe ich auch nichts gekauft. Denn einen Nachweis, den bei der Ausreise oder Einreise ein Zöllner hätte verlangen können, gab es zum Kauf nicht.


Die Küche mit dem noch nicht fertigen Tee



Montreal war die erste Burg, die die Kreuzritter unter Balduin I. 1115 in Oultrejourdain, ihrem Herrschaftsgebiet, gebaut hatten. Nach und nach entwickelte sich eine Kette von Burgen von Aqba im Süden bis in die heutige Türkei.
Die Kreuzritterburg, die in Jordanien als Synonym für den Aufstieg und den Fall des Lateinischen Königreichs steht, ist Kerak. Mein Herz ging auf, als sich die Ruine über der gleichnamigen Stadt wie eine Krone erhob.

Gut zu erkennen, in den vergangenen 900 Jahren hat sich die Bauweise nicht gravierend verändert.

Kerak wird bereits im Alten Testament als Hauptstadt der Moabiter erwähnt und liegt auf halben Weg zwischen Shobeq und Jerusalem. Die strategisch günstige und wichtige Lage an einer Karawanenstraße machte den Berg für die Kreuzritter interessant. Von hier aus konnten sie das Südende des Toten Meeres kontrollieren und Teile Palästinas abriegeln. Im Jahr 1142 wurde mit dem Bau begonnen. Die fränkischen Baumeister nutzten vorhandene Fundamente der einige Jahrhunderte zuvor aufgegebenen Burgfeste. - Damit mir kein Lokalpatriotismus unterstellt wird: Die Kreuzritter wurden von den Muslimen »Franken« genannt, egal ob sie aus Franken, Niedersachsen oder England oder sonst woher kamen. - Rasch entwickelte sich Kerak zur Hauptstadt von Oultrejourdain. Der Burg schwingt der Name Renaud de Châtillon mit. Der Franzose, der Louis II. von Frankreich auf dem Zweiten Kreuzzug folgte, war von 1175 – 1187 Herr von Oultrejourdain. Von ihm angeführte oder in Auftrag gegebene Überfälle auf Muslime, deren  Karawanen, Häfen und Städte waren das Ende eines ausgehandelten Friedensvertrages mit Saladin und der Beginn eines Krieges, der zum Dritten Kreuzzug führte. In schlechter Erinnerung blieb Renaud den Muslimen wegen seiner Grausamkeit, die sich nicht nur gegen sie, sondern auch gegen Christen richtete, die nicht nach seiner Pfeife tanzten.




An Burgen interessiert mich weniger die Architektur, das militärische Know-How oder strategische Lage. Ich finde die Geschichten, die in den Steinen und Fugen verborgen sind, faszinierend.
Wenn ich mir vorstelle, dass ein Bauernsohn aus Großgarnstadt seinem Landesherrn zu Fuß durch die halbe damals bekannte Welt gefolgt ist und zur Sicherung und Festigung der Stätten seines Glaubens unter seinen Händen derartig beeindruckende Bauwerke, wie die Kreuzritterburgen entstanden sind, dann bekommt das Sprichwort »Glaube versetzt Berge« eine Bedeutung.
Oder ...
In dem Moment, als ich hier stand und in das Tal hinabsah, begann ein Muezzin seinen Gebetsruf. Nach und nach setzten Gesänge aus allen Richtungen ein. Wie mochten sich die Verteidiger der Burg gefühlt haben, als Saladins Truppen sie belagerten und die Gebetsrufe an den Mauern zerschellten?











Samstag, 2. Mai 2015

Von Eiffeltürmen, Propheten, Mandeln und der römischen Provinz im Norden Jordaniens

Jerash war eines meiner zwei persönlichen Highlights der Rundreise. Das andere war die Kreuzfahrerburg von Kerak. Ich bin ein Fan von alten Steinen, neben denen des Hochmittelalters jene, die uns von den Römer hinterlassen wurden. Hätte ich die Reise selbst geplant und durchgeführt, wäre das römische Gerasa wohl der krönende Abschluss gewesen.

Bevor es in den Norden ging, legten wir einen Stopp bei einer Wechselstube ein.
Das Bild entstand in Jerusalem
Eine »maktab sa-rafa« bietet günstigere Kurse und unkompliziertere Transaktionen als Banken oder Hotels. Aber auch hier ist Umsicht geboten. Am Flughafen, Bahnhöfen und Grenzübergängen gleichen sich die Kurse denen der Geldinstitute an.

Während meine Mitreisenden sich mit Jordanischen Dinars eindeckten, entdeckte ich erstmals, dass die Jordanier ein Faible für den Eiffelturm haben.

Die Kopie des berühmten Bauwerks von Paris sollte mir in den nächsten Tagen immer wieder begegnen, entweder an Schaufenstern oder auf Dächern.
Ich fragte mich, warum Jordanien einen solchen Bezug zu Paris bzw. Frankreich hat.
Was Mode- und Schuhläden betraf, konnte ich es mir marketingtechnisch erklären. Frau will sich auch in einem Wüstenstaat modisch kleiden und Paris erzeugt eine Assoziation zu Mode. Aber warum der Turm auf den Dächern? Irgendwann bin ich auf die Idee gekommen, dass der Eiffelturm als Antenne benutzt wird. Das wurde mir in Jerusalem bestätigt. Wo es bis zur Einführung von Satellitenschüsseln ebenfalls Eiffeltürme auf Dächern gegeben hat.

Der Norden Jordaniens war in biblischen Zeiten unter dem Namen »Gilead« bekannt und ist heute die am dichtesten besiedelte Region des Landes.
Während wir die Straße entlang fuhren, konnte ich meinen Blick auf Händler werfen, die Früchte und Gemüse und insbesondere grüne Dinger anboten. Mahmoud gab unserem Drängen nach und ließ den Busfahrer bei einem Straßenhändler halten.
Adelheid (Name geändert) blieb mit der Begründung, sie kennt Bohnen von daheim, im Bus sitzen. Aber es sind keine Bohnen, sondern grüne Mandeln. Sie schmecken interessant: noch nicht fertig, die milchige Süße fehlt. Und sie machen satt.


Am Fluss Jabbok machten wir eine weitere, diesmal geplante, Pause.
Hier hat Jakob eine Nacht mit einem Mann gestritten, der sich als Engel herausstellte und ihm den Namen »Israel«, der Gottesstreiter, da er mit Gott gerungen und gesiegt hat, gab.
Zusammen mit seinem Großvater Abraham und seinem Vater Isaak zählt Jakob zu den Erzvätern Israels. Auf seine zwölf Söhne gehen die zwölf Stämme der Israeliten zurück. - Auch für den Islam ist Jakob bedeutend. Der Koran erwähnt ihn als einen von 25 Propheten. -
Ich stand also an einem Ort, auf dessen Geschichte unsere Kultur zurückgreift. Darüber kann man sicher diskutieren, so wie es eine Mitreisende gerne getan hätte.
Da ich ihr nicht als Gegenpartei zur Verfügung stand, war sie zu einem Monolog gezwungen. Ich zog mich geistig zurück und gab mich der besonderen Ruhe des Platzes hin. Die Spannung, unter der ich mich monatelang befunden hatte, fiel mit einem Mal ab. Ich kann sagen, dass ich am Jabbok in Jordanien angekommen war.
Ihrer Meinung nach ist die Aufklärung für unsere Kultur bedeutsamer als das die Ereignisse biblischer Zeiten. Meine Meinung dazu ist, dass alles um uns und in uns in der Vergangenheit wurzelt, gleich wie lang sie vergangen ist und Ereignisse das Ende von Prozessen und der Anfang solcher sind.


Aber nun auf nach Jerash.



Jerash gehörte dem römischen Verbund von Handelsstädten im heutigen Jordanien, Syrien, Israel und palästinensischen Autonomiegebieten, den sog. Dekapolis, an. Nach einem schweren Erdbeben im 8. Jahrhundert wurde es aufgegeben. Im 12. Jahrhundert beherbergten die Ruinen für eine kurze Zeit eine Kreuzfahrergarnison.
Jerash ist für den gemeinen Jordanienreisenden nicht so reizvoll wie Petra und aufgrund der zurückgegangenen Touristenzahlen besichtigen noch weniger Besucher die einstige Metropole. Was super war. So konnten wir ohne die Menschenmassen, die sich normalerweise an solchen Stätten finden, den Rundgang durchführen.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, die ich alleine auf einer Mauer vor dem Hadriansbogen verbracht hatte, bis die Steine lebendig wurden.

Endlich war ich da! Der Weg von Philadelphia (Amman) war ermüdend gewesen. Bevor ich durch den Bogen trat, der zu Ehren Kaiser Hadrians errichtet worden war, gönnte ich mir einen überteuerten Saft aus reifen Granatäpfeln und wusch mir den Staub meiner Reise an einer Tränke ab. Der Anblick der Mauern und Säulen, die unter dem blauen Himmel honigfarben schimmerten, entschädigten mich für alle Anstrengungen. Die Vorfreude, die ich in den Tagen vor meiner Abreise spürte, wandelte sich in Glückseligkeit.
Kaiser Hadrian hat große Pläne. Er möchte Gerasa ein Viertel mit Wohnungen und Geschäften zwischen »seinem« Bogen und dem südlichen Stadttor schenken, wodurch sich die Stadtfläche um ein Viertel vergrößern würde. Allerdings wurde mit den Bautätigkeiten noch nicht begonnen.
Es mag daran liegen, dass sich hier das Hippodrom befindet. Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe begeistern Menschen in Rom, Antiochia, Jerusalem und überhaupt auf der ganzen Welt. Doch wer möchte dort wohnen, wo sich zweimal am Tag Menschen auf den Straßen drängen, brüllen, betrunken herumpöbeln und ihren Unrat hinterlassen? Wer möchte einen Laden an einem Platz eröffnen, an dem außer Tavernen und Küchen niemand ein Geschäft macht? Ich denke, auch in Zukunft werden nur die Toten in diesem Areal in ihrer Ruhe gestört werden und der Bogen wird ein Bogen bleiben und nicht ein Tor werden.
Gerne hätte ich den Spielen zugesehen, die im Station stattfanden. Doch war nur für einen kurzen Blick Zeit. Ich hatte Zeus, Artemis und den Nymphen Opfer darzubringen, damit sie mein Land vor Unwetter schützen und die Ernte in diesem Jahr reichhaltiger ausfällt wie im vergangenen. Außerdem wollte ich das Theater besuchen, dessen Ruf so groß ist und die Kirchen der Byzantiner, von denen ich so viel gehört habe.
2 x täglich werden historische Aufführungen gegen einen zusätzlichen Obolus geboten - Exerzierübungen, Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe

Am Südtor

Blick entlang der Stadtmauer zum Südtor

Ich war schon oft auf dem Forum Romanum in Rom. Dort ducken sich Kontore, zwischen Tempeln und Basiliken. Es herrscht ein geschäftliches Treiben und es ist das Zentrum des politischen Lebens der Stadt.
Das Forum von Gerasa enttäuschte mich einerseits. Hier war es so still und es ging geordnet zu. Andererseits war mir feierlich zumute. Die Weitläufigkeit und die Kolonnaden erheben sich über den schnöden Mammon und die Politik.

 




Der Tempel des Zeus ist ein Abbild des Göttervaters. Er überragt die Stadt, ist würdig, mächtig, unerschütterlich, über jeden Zweifel erhaben und empfänglich für filigrane Schönheit.





Die Kulisse des Südtheaters
Ich liebe Rom, doch muss ich den Hellenen zugestehen, dass sie einen größeren Sinn für Genuss haben. Römische Spiele sind nur dann gut, wenn viel Blut fließt und wenigstens einer zu Tode kommt. Griechische Schauspieler bedienen sich der Sprache, Mimik und Gestik.
Mir fällt nicht mehr ein, mit welchen Weisen uns die Dudelsackspieler unterhalten haben.
Ich las viel darüber, welch umwerfender Ausblick sich von der obersten Sitzreihe zum Zeustempel und zum Forum bietet. Ich glaube den Schriften. Beim Anblick der ungesicherten Stufen rutschte mir das Herz in die Hose und ich suchte mir einen Platz auf den unteren Plätzen.




Ein gewisser Theodor und seine Ehefrau Georgia haben die Kirche gestiftet, die den Zwillingen Kosmas und Damian geweiht wurde und haben sich im Chorraum verewigen lassen. Das Mosaik ist besonders für einen Menschen wie mich, der schon an einem 20-teiligen Puzzel verzweifelt, mehr als nur beeindruckend.

Das gleißende Schimmern des Marmors, mit dem der Artemistempel verkleidet war, stach in meinen Augen, als ich den Hügel bezwungen hatte. Artemis, Tochter des Zeus, Göttin der Jagd und der Fruchtbarkeit grüßte mich.
Elf Säulen stehen heute noch. Trotz der Erdbeben, militärischen Aggressionen und der Verwendung der Steine als Baumaterial und der »in-Vergessenheit-geraten« der vergangenen 1.900 Jahre. Ihre Standhaftigkeit erhalten sie durch die Bauweise. Sie schwingen. Bewiesen hat es ein Angestellter des Parks. Er steckte einen Löffel in eine Fuge und drückte gegen das Säulenelement. Der Löffel hat sich bewegt.












Das Nordtheater
Der Stadtrat tagt. Wir müssen aber nicht leise sein, um die Patrizier, Ädilen und Quästoren nicht zu stören. Die Herren Räte werden uns nicht bemerken, während sie lauthals Debatten führen, die in jeder Stadt beschäftigen, die 20.000 Einwohner zählt: Müll, Sicherheit und Ordnung, die Höhe der Abgaben und Zölle, die Arbeitszeiten der Prostituierten und die Sauberkeit in den Bordellen, wie hoch die Gelder sein dürfen, mit denen Stimmen für die nächste Ratswahl gekauft werden, usw. usf. Das vulgäre Geplärre und die Handgreiflichkeiten auf den Gängen erinnern mich an eine Taverne am Abend nach einem Pferdemarkt und ich gehe weiter zum Nordtor, das den Eingang zum Cardo Maximum bildet.


Ein Gully-Deckel
Die Hauptstraße Gerasas ist eine Pracht. Das Pflaster ist sauber, wofür eine Kolonne von Sklaven sorgt, die auf halsbrecherischer Weise zwischen Fuhrwerken Müll und anderen Unrat von Mensch und Tier in Körbe sammelt. Mit Stuck und Farben reich verzierte Gebälke verbinden die Säulen zur Linken und zur Rechten. Entsprechend der Gebäude hinter ihnen haben sie verschieden Höhen. Marmorverkleidete Stufen führen zu Tempel, Kontore und Läden.
Lachen, Getratsche, das Rumpeln der Holzräder mit Eisenbeschlägen über den Quatern, das Gebrüll der Polizisten, die für meine Augen vergeblich versuchen, Ordnung in den Verkehr zu bringen, mischt sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm. Tierische Ausscheidungen und verschiedenen Aromen von Gewürzen und Parfums werden zum Odem der großen, weiten Welt. Die Auslagen der Läden strapazieren mein Budget alleine nur dadurch, dass ich sie mir ansehe.
Doch ist und bleibt Gerasa Provinz. Die kunstvollen Hochsteckfrisuren und die reich verzierten Kleider, die die Frauen zur Schau tragen, sind in Rom schon lange aus der Mode.




Ich dachte, nach dem Tempel der Artemis würde es nichts mehr geben, dass ich schön nennen würde. Das Nymphäum belehrt mich einem Bessern.
Eine Halbkuppel in Form einer Muschel überdacht zwei Stockwerke. Das untere ist mit Marmor verkleidet, der Fries des oberen mit Stuckwerk verziert. In Nischen stehen die Nymphen, herausgeschlagen aus Marmor. Sie sind bezaubernd. Es fällt mir kein anderes Wort ein. Denn wie will ich etwas beschreiben, das nicht von dieser Welt ist? Aus Hörnern, die die Dienerinnen der Götter in ihren zarten Händen halten, fließt Wasser friedlich der Fassade hinab. Es sammelt sich in einem großen Becken und strömt aus steinernen Löwenköpfen in eine Rinne, die die Hauptstraße als schmaler Bach begleitet.


Jerash hat das gehalten, was es mir im Vorfeld versprochen hat: Ruinen grandioser Bauten und Plätze, die mir Einblicke in das Leben vergangener Zeiten boten.
Ich habe mich gefragt, zu welchen Bauten die Steine gehörten, die in der Hügellandschaft herumliegen, welche Dinge unter der Erde verborgen sind und was sie vom Alltag der Menschen erzählen könnten.

Ob meine Fragen einmal beantwortet werden? Ein solch riesiges Gelände würde mich in jedem Land und zu jeder Zeit entmutigen. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich allerdings überhaupt nicht, dass in naher Zukunft groß angelegte Ausgrabungen durchgeführt werden. Jordanien hat nicht die Mittel, diese alleine zu fördern. Und, für das Land stellen sich dringendere Aufgaben. Die Lage des Nahen Ostens schreckt Investoren ab.
Andererseits: Sind Geheimnisse nicht reizvoller?